Entwicklungsstörungen


Sensomotorische Entwicklungsverzögerung

Mein Kind ist nicht so wie die anderen…

Die sensomotorische Entwicklungsverzögerung ist heutzutage eine doch weit verbreitete Einschränkung unserer Kinder. Die Schwierigkeit ist die Diagnostik, auch gerade für die Kinderärzte, da die sensomotorische Entwicklungsverzögerung ein Chamäleon unter den Beeinträchtigungen darstellt. Sie besitzt aufgrund der Komplexität viele Facetten und Gesichter. Ausschlaggebend für unsere Kinder ist in erster Linie, dass man eine entsprechende Entwicklungsverzögerung überhaupt mit entsprechenden Untersuchungsmethoden diagnostizieren kann. Wie der Name schon sagt, handelt es sich zumeist um die Beeinträchtigungen der sensorischen Wahrnehmung (sehen, fühlen, spüren, hören, riechen), sowie der sich daraus entwickelnden komplexen motorischen Muster.

Ursachen für die Beeinträchtigung der sensomotorischen Entwicklung Ihres Kindes können folgende Erkrankungen sein:

  • das Tonus-Asymmetrie-Syndrom bei Säugling, hervorgerufen durch Kopfgelenksblockierung (KISS-Syndrom)
  • Frühgeburten
  • schwere Geburtsverläufe, Notkaiserschnitte
  • nachgeburtliche Infektion des Kindes, stationärer Aufenthalt auf Intensivstationen
  • längere Immobilisation durch anderweitige Erkrankungen des Kindes
  • Chromosomendefekte oder andere Syndromerkrankungen
  • alle Erkrankungen mit spastischen, d. h. Einschränkungen der Hirnfunktion aufgrund eines Hirnschadens

In meiner Praxis sehe ich eine Vielzahl von kleinen Patienten, die zumeist sensomotorische Entwicklungsstörungen leichteren Grades haben, deren Ursache jedoch unbekannt ist. Man vermutet als hinzukommende Ursache Stressbelastungen in der Schwangerschaft, sowie andere intrauterine Ursachen. Diese lassen sich aber im Nachhinein schwer eruieren.

Wie entsteht eine sensomotorische Entwicklungsverzögerung?

Diese Entwicklungsverzögerungen entstehen meist schon im frühen Kindesalter bzw. sind sie bei der Geburt bereits vorhanden. Ausgehend von den sensorischen Erfahrungen, die unsere Kinder machen müssen, um Information aus der Umwelt über verschiedene Sinne (Tast-, Fühl-, Riech-, Geschmacks- und visueller Sinn) zu sammeln, entwickeln sich daraus komplexe motorische Muster, die letztendlich auch zur langsamen Vertikalisierung (zum aufrechten Gang) des Kindes innerhalb des 1. Lebensjahres führen. Die Komplexität von aufgenommenen Sinneseindrücken bedarf einer sehr komplizierten Verarbeitung im Gehirn. Anhand dieser Informationen, die das Kind sammelt, ist es im Nachfolgenden in der Lage, motorische Bewegungsmuster zu erlernen, zu kombinieren und immer wieder auszuprobieren, um die Lage im Raum in Verbindung mit dem Koordinations- und Gleichgewichtssinn zu jedem Zeitpunkt stabilisieren zu können und um sich gezielt fortbewegen, greifen usw. zu können.

 

Sensorischer Input  (Afferenz) Entwicklungsverzögerung Ausbildung motorischer Fähigkeiten (Efferenz)
Riechen Sprache
Hören Feinmotorik
Fühlen Grobmotorik
Tasten

Ist die sensorische Verarbeitung und Wahrnehmung des Kindes eingeschränkt, so resultiert im Nachfolgenden eine Störung in der Ausbildung dieser sehr komplizierten Bewegungsmuster, die ein Kind braucht, um letztendlich mit allen Muskeln und Gelenken mit der Umwelt zu kommunizieren. Daraus resultiert die Kombination zwischen einer sensorischen und motorischen Entwicklungsverzögerung. Ausdruck der motorischen Entwicklungsverzögerung ist immer eine mehr oder wenige starke Beeinträchtigung des Gleichgewichts- und Koordinationsvermögens.

Die motorische Entwicklungsverzögerung äußert sich nun, je nach dem wie gut das Kind in verschiedenen Bereichen ist, in verschiedenen Symptomen, die die Kinder zeigen und die im Nachfolgenden aufgezählt sind:

  • Störung der Wahrnehmungs- und Raumkontrolle,
  • Störung des Gleichgewichts- und Koordinationssinnes (Springen, Hopsen, Schaukeln, Balancieren, Fahrrad fahren, Schwimmen),
  • feinmotorische Störungen (Schneiden, Malen, Basteln, Schreiben),
  • grobmotorische Störungen (Treppen steigen, schnelles Rennen, Koordination bei Ballspielen etc.),
  • Störungen der visuellen Wahrnehmung über die Augen (Spielen, Lesen usw.),
  • Störungen der Mund- und Sprechmotorik (langes sabbern, undeutliche Aussprache)
  • Sozialisierungsstörungen der Kinder (Raufbolde, die jeden über den Haufen rennen oder Hasenfüße, die sich nichts zutraun)
  • Störungen des Hörvermögens (Probleme in der Schule, Geräusche zu filtern)

Der wichtigste Ausdruck einer sensomotorischen Entwicklungsstörung Ihres Kindes ist, dass diese Kinder mehr oder weniger große Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite aufweisen. Möglich ist, dass die Kinder von der Vielfalt der aufgezeigten Symptome nur auf einem oder auch mehreren Teilgebieten Einschränkungen haben. In jedem Fall muss den betroffenen Eltern geraten werden, zur Abklärung eventueller Entwicklungsdefizite Ihrer Kinder den darauf spezialisierten fachärztlichen Kollegen oder einen Entwicklungstherapeuten aufzusuchen, um eine entsprechende Diagnostik und Therapie einleiten zu können. Sichtbar werden die sensomotorischen Defizite zumeist erst in der Schule, wenn die Kinder durch den Schulbeginn unter einen gewissen Leistungsdruck gesetzt werden, dem sie jedoch auf Grund der bestehenden Defizite nicht gerecht werden können.

Behandlungsmöglichkeiten

Es existieren verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die im Endeffekt alle das gleiche Ziel verfolgen, die Förderung des Kindes in Bezug auf die sensorischen und motorischen Defizite. Im Endeffekt soll damit Ihrem Kind erleichtert werden, dem schulischen Alltag folgen zu können und auch im sozialen Umfeld und in sportlichen Aktivitäten im Normalbereich mitwirken zu können. Zumeist handelt es sich hierbei um Behandlungsmöglichkeiten, die über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. Als mögliche Therapieformen sind, wie unter ‚Therapiemethoden‚ aufgeführt, die neurophysiologische Krankengymnastikformen nach Bobath und Vojta, sowie die Ergotherapie, die Logopädie und weitere spezielle Therapieformen zur Förderung der sensomotorischen Integration des Kindes. Ebenso hilfreich zur Behandlung dieser kindlichen Defizite eignet sich die Atlastherapie nach Arlen oder die HIO Technik.