Säuglingsschiefhals / KISS


Säuglingsschiefhals / KISS-Syndrom

(KISS-Syndrom, Tonus-Asymmetrie-Syndrom (TAS), Säuglingschieflage)

Das Tonusasymmetriesyndrom (TAS) / KISS-Syndrom beim Säugling ist behandlungsbedürftig, da ansonsten Entwicklungsstörungen in Sensorik und Motorik resultieren können. Die klassische Krankengymnastik ist zur Behandlung ungeeignet. Nur medizinische Personen, die über ausreichend Kenntnisse von manuellen und anderen speziellen Weichteiltechniken verfügen, sollten diese Kinder behandeln, um das Grundproblem, nämlich die Dysfunktion einzelner Wirbelsäulenabschnitte zu beheben.

Der Schiefhals oder die Schieflage eines Säuglings unmittelbar nach der Geburt wurde früher immer auf eine Dysfunktion oder Blockierung der Kopfgelenke, das sind die ersten zwei Halswirbelkörper, zurückgeführt. Daher rührt auch der vielfach benutzte Ausdruck des KISS-Syndroms (Kopfgelenk-Induziertes-Säuglings-Schieflage-Syndrom). Manualtherapeutische und entwicklungsdiagnostische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass bei diesen Kindern neben sogenannten Kopfgelenksblockierungen auch andere Funktionsstörungen in den Schlüsselregionen der Wirbelsäule isoliert oder in Kombination vorkommen können (Übergang Hals- Brustwirbelsäule, Brust- Lendenwirbelsäule, Becken usw.)

KISS1

Hinterhaupt (HH) mit Atlas (1.Halswirbel) und Axis (2.Halswirbel)
Die Fehlstellung zwischen HH und Atlas führt zur Asymmetrie

 

Hat mein Kind vielleicht ein KISS-Syndrom (Kopfgelenks-Induzierte-Symmetrie-Störung)?

 

Mögliche Symptome:

  • Kopfschiefhaltung mit langsamer Verformung am Hinterkopf oder sehr starke Überstreckungstendenz
  • Lageasymmetrie und Seitenbevorzugung
  • Trinkauffälligkeiten
  • motorische Unruhe und Schreiattacken
  • Verdauungsprobleme und Schlafstörungen
  • Verzögerung der Kopfkontrolle
  • Asymmetrische Bewegungsmuster von Armen und Beinen

 

KISS-Syndrom I

KISS I Syndrom

KISS-Syndrom II

KISS II Syndrom

Ursachen für das KISS-Syndrom

Die Ursachen dieser Funktionsstörung oder –einschränkung in den obersten Halswirbel und den anderen Wirbelsäulenabschnitten werden in der vorgeburtlichen Phase und der Geburt selber vermutet. Lageauffälligkeiten der Kinder, lange und anstrengende Geburtsverläufe, Zangen- und Vakuumgeburten und allen voran der Kaiserschnitt werden als mögliche Ursachen diskutiert.

Verlauf

Der Verlauf eines Schieflagesyndroms kann, wenn nicht zeitnah und wirkungsvoll therapiert, für die Kinder in manchen Fällen für die gesamte Entwicklung sehr verhängnisvoll sein. Die vielfach betroffenen obersten Halswirbel haben eine enge Lagebeziehung zu den tiefen Nackenstreckern. Das sind weniger Muskeln als mehr riesige Sensorengebiete, in denen Lage- und Stellreflexe automatisch ablaufen und die für die Entwicklung und Aufrichtung des Babys von eminenter Wichtigkeit sind. Sie sind sozusagen das übergeordnete Zentrum, der Boss für die Steuerung der unbewussten Stützmotorik, die sich beim Kind erst noch entwickeln muss. Diese Sensorengebiete sind aber von der richtigen Funktion der Halswirbelgelenke (und auch der anderen Schlüsselregionen) abhängig.

Bei Störungen der Funktion in diesen Gebieten kommt es zu einer Fehlverarbeitung in den Sensorengebieten und damit zu einem Transport abgefälschter Informationen in das Großhirn aber auch vom Großhirn in die ausführenden Organe, das heißt die Muskeln und Gelenke. Das Baby muss aber ganz viel gerade im ersten Lebensjahr lernen um am Anfang des 2. Lebensjahres über die Reflexzentren eine schwerkraftgerechte Position in allen Lebenslagen einnehmen zu können. Das heißt, dass Baby ist abhängig von einer richtigen Information aus den Sensorengebieten des ganzen Körpers, die verschlüsselt als Nervenimpuls über das Rückenmark zum Gehirn gesendet werden und dem Baby einen guten Überblick geben, wo es sich befindet, wer gerade spricht, was es riecht, schmeckt und fühlt. Gehen hier Informationen „verloren“ kann das Baby nicht adäquat seine Umwelt wahrnehmen, es hat Probleme, seine Lage im Raum adäquat einzunehmen.

Folge davon ist eine Entwicklungsverzögerung, die man bei unbehandelten Kindern häufig in einem verspäteten Krabbel- und Laufbeginn sieht. Später manifestieren sich die Störungen in der Wahrnehmung und des Gleichgewichts nicht nur in einer grobmotorischen Entwicklungsverzögerung, sondern auch in Störungen der Feinmotorik der Aufmerksamkeit und Konzentration. Wer denkt hier nicht an das vielfach genannte ADS-Syndrom. Die Kinder, völlig normal intelligent, entwickeln sich sozusagen „mit angezogener Handbremse“ unterhalb ihrer Möglichkeiten. Deshalb ist eine schnelle und effektive Therapie des Schieflagesyndroms so wichtig, weil, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Die Auswirkungen sind verhängnisvoll, weil das Baby diese Verzögerungen später nur noch mit großem Aufwand nachholen kann.

Schädelasymmetrie durch einseitige Lage

Schädelasymmetrie durch einseitige Lage

Therapie

Grundlage der Therapie ist die Beseitigung der funktionellen Störung der betroffenen Kopfgelenke und der anderen Wirbelsäulenabschnitte. Wird dies rasch erreicht, geht das übrige meist von allein. Das kann man mit manuellen Techniken erreichen, die über langsame mobilisierende Eingriffe ein Gelenk wieder beweglich machen. Hinzu kommen Techniken an Bändern und der betroffenen Muskulatur (myofasciales Releasetechniken). Letztendlich ist die reflektorische Behandlung dieses Nackenrezeptorenfeldes (z.B. mittels HIO Technik) eine gute Methode, die gestörten Sensoren wieder ins Gleichgewicht zu bringen und die Reflexe zu normalisieren. Die Behandlung des lagegestörten Säuglings gehört in geschulte Hände eines Arztes oder Physiotherapeuten, der sich diese Techniken in Spezialkursen angeeignet hat. Eine normale Krankengymnastik oder neurophysiologische Behandlungen nach Bobath oder Vojta sind nicht geeignet, eine Dysfunktion und damit eine Säuglingsschieflage wirkungsvoll zu behandeln.

Wichtig ist erst einmal eine gute und subtile Diagnostik um dann die oben genannte Therapie anzuschließen. Je jünger der Säugling, desto weniger Therapie ist im Anschluss erforderlich. Bobath– und Vojta-Gymnastik können bei älteren Kindern dann die weitere Entwicklung fördern, ebenso ist die Ergotherapie sehr sinnvoll, um nach Behebung der Ursachen an Störungen des Gleichgewichtes und der Wahrnehmung zu arbeiten.